spider caruna
Wie kam ich zu diesem Fahrzeug
Im April 2013 kaufte ich den Peugeot 504 Targa Caruna und war glücklich und happy wie ein kleines Kind an Weihnachten. Ich begann mich sofort, noch mehr für Caruna und die Firmengeschichte zu interessieren. Das Internet gab nicht viel her, ein paar Bilder vom Peugeot, die zum Cabriolet umgebauten S-Klasse Mercedes und dann tauchte da noch so ein weisses Ding auf, sehr skurril und eigenwillig. Das Auto kannte ich so nicht, aber ein ähnliches, knallgrün und genau so ‹hässlich›. Ich nahm wieder das besagte Buch ‹Schweizer Automobile› zur Hand und verglich das darin abgebildete grüne Auto mit dem weissen im Internet. Alles schien gleich, bis auf ein paar Details wie Ausenspiegel, Stossstangen, Scheinwerfer, Blinker und das Lüftungsgitter hinten auf der Motorhaube. Im Internet waren unterschiedliche Beschriebe aufgeführt, von einem VW-Prototyp war die Rede, was aber nicht stimmen konnte. Dann kam mir in den Sinn, dass ich vor einiger Zeit am OSMT – Oldtimer Sunday Morning Treffen in Zug ein ähnliches weisses Fahrzeug gesehen und fotografiert habe. Ich suchte in den Reportagen auf unserer Website DREAM-CARS.CH nach dem Bild und wurde rasch fündig. Das war tatsächlich ein caruna spider der da am OSMT im September 2012 in Zug stand und zwar genau der, den ich zuvor schon im Internet gefunden hatte.
Hier die Bilder, die ich damals gemacht habe sowie das Bild vom Urzustand
Die Suche nach dem Auto
Auf dem Bild mit der Heckansicht kann man auf dem Rahmen des Kennzeichens die Aufschrift Garage Müller 6110 Wolhusen lesen. Einfacher geht es kaum. Ich habe bei der Garage Müller angerufen und die Auskunft bekommen, dass es sich bei dem Auto um ein Kundenfahrzeug handle. Ich erzählte, weshalb ich mich für das Auto interessiere und bekam die Nummer des Besitzers. Ich habe dann dort angerufen und erzählt, worum es geht, dass ich kürzlich den Peugeot-Caruna kaufen konnte und jetzt nach weiteren Informationen suche. Dann kam spontan das Du am Telefon, er sei der Franz und ob ich das Auto kaufen wolle. Also waren alle weiteren Fragen überflüssig und ich sagte ja, aber eine Besichtigung sollte noch stattfinden. Die fand dann einige Tage später statt und wir fuhren nach Wolhusen an den vereinbarten Treffpunkt. Eine Scheune etwas ausserhalb von Wolhusen, unscheinbar, direkt an der Strasse. Dort stand das Objekt der Begierde also zwischen allerlei landwirtschaftlichem Gerät, Motorrädern und einem ebenso skurrilen AWS Shopper.
Der Zustand des spider war ganz OK, etwas verstaubt und schmutzig, da und dort Lackfehler und etwas seltsame Sitze. Die Sportsitze, typisch für die Sechziger- und Siebzigerjahre, waren mit einem braun-beigen Stoff überzogen, wie damals Grossmutters Fernsehsessel. Sonst war das Intérieur sehr sportlich gehalten. Ein kleines griffiges Lenkrad und die Mittelkonsole gut bestückt mit 5 Rundinstrumenten von VDO. Das Auto ist sehr niedrig und entsprechend tief ist die Sitzposition, die aber sehr gewöhnungsbedürftig ist. Die Beine zeigen nach rechts zur Mitte hin und das Lenkrad ist nach links versetzt. Das ergibt sich wegen der breiten Seitenschweller, dem Mitteltunnel und der VW-Pedalerie. Ich dachte zuerst, dass sowas unfahrbar sein müsse. Ist aber glücklicherweise nicht so, im Gegenteil. Eine Probefahrt konnte ich nicht machen aber der Besitzer versicherte mir, dass technisch soweit alles in Ordnung sei, aber ein grosser Service sollte schon gemacht werden. Ich vertraute, wir wurden tatsächlich handelseinig und das zweite Fahrzeug von Caruna kam in meinen Besitz.
Identifikation des Fahrzeugs
Ich fuhr auf eigener Achse nach Hause und spürte, dass die Familie und die Nachbarn irgendwie Mitleid hatten, ob mit mir oder dem spider caruna, weiss ich nicht. Auf jeden Fall lachten alle, aber definitiv wegen des Autos. Ich aber war stolz über meine Errungenschaft. Dass es schönere Autos gibt gebe ich ja zu, aber dafür ist der spider selten. Wie selten, wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht, das wurde mir erst später bewusst. Ich begann eigentlich sofort mit den ersten nötigen Instandstellungsarbeiten und als erstes ging es den ‹Grossmutter-Sitzen› an den Kragen. Ich riss die hässlichen Überzüge weg und wir schon erwähnt, standen dann zwei Scheelmann-Sitze vor mir. Leider sehr lädiert, eine Aufarbeitung wäre teuer gewesen und hätte Zeit gekostet. Ich lagerte die Sitze also ein und kaufte zwei ähnliche Sportsitze, die in der Breite passten. Ist so nicht mehr original, aber die ursprünglichen Sitze sind ja noch da. Dann gab es neue Teppiche, Fensterverschlüsse und einige Kleinigkeiten.
Zum Schluss kamen die Türverkleidungen dran und dann sah ich es, das hässliche Grün von damals. In den Türen sind noch Reste einer grünen Lackierung zu sehen und mir kam sofort das grüne Auto aus dem Buch in den Sinn. Ist das etwa tatsächlich DIESES Auto? DER spider caruna und nicht einfach EIN spider caruna? Ich wusste es nicht und verglich nochmals alles penibelst genau. Ich hatte ja jetzt das Auto und nicht nur die Bilder im Internet. Gab es zwei spider? Wurde der grüne umlackiert? Da konnte nur einer weiterhelfen, nämlich Erwin Schill, der damalige Inhaber von Caruna. Der ehemlige Besitzer vom Caruna-Peugeot kannte Herrn Schill und gab mir seine Kontaktdaten. Ich rief also dort an, hörte aber nur den Telefonbeantworter. Ich versuchte es wieder und wieder, bis ich endlich Frau Schill am Telefon hatte. Ich erklärte ihr den Grund meines Anrufs und ich spürte, dass da eine gewisse Freude aufkam. Ich sprach dann mit Herrn Schill und er bestätigte mir, dass es nur EINEN spider gibt, nämlich den weissen, der früher eben grün war. Der spider wurde verkauft, erlitt aber im August 1976 einen Unfall und wurde im Heckbereich beschädigt. Gemäss Schadenbegutachtung beliefen sich die Reparaturkosten auf CHF 5’209.50 – das war vor über vierzig Jahren richtig viel Geld. Das Auto musste also repariert und neu lackiert werden und die Kundin wünschte sich im Zuge der Reparaturarbeiten die weisse Farbe. Frau Schill sagte mir später, sie hätten damals extra das knallige Grün gewählt, damit das Auto eben auffällt und sie seien mit dem doch eher langweiligen Weiss nie einverstanden gewesen, aber der Kundenwunsch wurde erfüllt.
Ich hatte jetzt also die Gewissheit und Bestätigung, dass ich mit dem spider caruna ein weiteres Fahrzeug habe, dass es nur einmal gibt. Und erst noch ein in der Schweiz gebautes Fahrzeug, von dem die gesamte Geschichte und alle Vorbesitzer bekannt sind. Auch alle Papiere und Rechnungen sind vorhanden, noch im ursprünglichen Ordner. Wie wichtig Originalunterlagen zu einem Oldtimer sind zeigt folgende Anekdote. Zu den technischen Details des Fahrzeugs komme ich später. Im Ordner befindet sich ein Brief von Herrn Schill an das Volkswagenwerk in Wolfsburg, datiert vom 5. Januar 1978 mit der Bitte um Genehmigung für einen stärkeren Motor. Am 27. Januar 1978 kam von Volkswagen die Antwort mit dem Einverständnis.
Technische Daten des spider caruna
Als Basis diente die Plattform eines VW Karmann Ghia Typ 34, mit einem 1600er S-Motor mit Vergaser. Dieser war aber offenbar wie oben im Brief zu entnehmen ist etwas schwachbrüstig und so wurde mit Einwilligung von Volkswagen der 2 Liter-Einspritzmotor vom VW-Porsche Typ 914/4 mit Bosch D-Jetronic-Einspritzung eingebaut. Dieser Motor leistet 100 PS und macht den spider caruna zu einem sehr sportlichen Auto. Die Erstzulassung gemäss Fahrzeugausweis ist der 01.01.1966, fertig war der spider, das Erstlingswerk von caruna, erst Mitte der Siebzigerjahre. Technisch wurde sonst nichts verändert, es ist das normale 4 Gang-Getriebe eingebaut, auch wenn in gewissen Unterlagen fälschlicherweise von einem 5 Gang-Getriebe die Rede ist. Die Felgen 5 x 14 stammen von ATS und sind standesgemäss aus Alu. Beim Kauf waren die Felgen weiss lackiert bzw. schon mehrmals mit dem Pinsel überstrichen worden. Zudem war eine Felge anders, was mich störte. Ich suchte also auf ebay nach einer passenden Felge und hatte Glück. Ich fand für relativ wenig Geld 4 fabrikneue ATS-Felgen in genau der richtigen Grösse, noch in der ungeöffneten Originalverpackung. Also 3-2-1 meins und schon war wieder ein Problem gelöst. Viele Komponenten stammen von anderen Herstellern und Marken. Die Frontscheibe ist von Marcos, die Stossstangen-Gummis von Volvo, die Scheibenverriegelungen sind vom Austin Mini, der Scheibenwischer von einem Citroën SM, die Hella-Rückleuchten stammen vom Saab 99 Serie 1 und Saab Sonett Serie III, die Scheinwerfer und Blinker fanden im Capri II Verwendung. Dass ich über diese Informationen verfüge ist ebenfalls dem Ordner zu verdanken, in dem alle Rechnungen von damals abgelegt sind. Sollte jemals ein Teil benötigt werden, ist es so viel einfacher, die benötigten Teile zu beschaffen.
Die Karosserie
Weshalb ich die Karosserie des spider caruna hier speziell erwähnen möchte hat einen Grund. Wenn man das Auto sieht schiessen einem Gedanken wie Eigenbau, Kit-Car oder Buggy durch den Kopf – nicht ganz unberechtigt. Tatsächlich sieht die Karosserie aus, als wäre sie aus Kunststoff bzw. glasfaserverstärktem Polyester. FALSCH, FALSCH und nochmals FALSCH.
Die Karosserie des spider caruna ist komplett aus Stahlblech gefertigt
Das Vorbild von Erwin Schill war Hermann Graber aus Wichtrach. Graber karossierte zwischen 1926 und 1970 zahlreiche Fahrgestelle renommierter Hersteller und war bekannt für die Modelle von Alvis mit eben einer Graber-Karosserie. Dass vor dem Zweiten Weltkrieg Karosserien in Handarbeit gefertigt wurden, war durchaus normal. Meist waren das Arbeiten für eine wohlhabende Klientel, da ging es nicht um Stückzahlen oder Rentabilität. Das änderte sich aber nach dem Krieg. Die Fertigung von Fahrzeugen wurde industrialisiert und Sonderanfertigungen waren nicht mehr in dem Masse gefragt. Um so erstaunlicher ist die Tatsache, dass Erwin Schill mit caruna dort anknüpfen wollte, wo die grossen Karosseriefirmen wie eben Graber, Langenthal, Ramseier, Tüscher usw. aufgehört hatten. Und es hat leider auch nicht funktioniert. Ausser den 12 Mercedes S-Klasse Cabriolets blieben alle Fahrzeuge Einzelstücke, die unter dem Strich nur Geld gekostet hatten. Um so mehr bewundere ich heute Erwin Schill, den ich persönlich leider nie kennenlernen durfte. Er verstarb Ende November 2016.
Bilder und Videos
Die letzten Meter auf der Fahrt nach Hause am Tag des Kaufs
Start zur Probefahrt, Clip von Ela Lehmann
Bildergalerie
Auf Bild klicken für Grossansicht mit Beschreibung
3 thoughts on “spider caruna”
Es ist beruhigend zu wissen, dass es noch verrüktere Autobliebhaber gibt, sich für den Spider Caruna zu erwärmen, ist ja nicht gerade «mainstream». Die Geschichte ist aber sehr interessant und das Fahrzeug sicherlich erhaltenswert, die Freude an Klassikern begründet ja auf verschiedenen Ansatzpunkten. Ich wünsche auf jeden Fall viel Spass an beiden Fahrzeugen.
FHE
Ja das liest sich interessant aus was für teilen der Wagen gebaut wurde…kommt mir bekannt vor… Mein PV544 ist auch mit teilen anderer Modelle bestückt, zwar alles mehr oder weniger Volvo teile aber das macht das definieren der gesuchten teile auch nicht unbedingt leichter…
Wolhusen? Oh dann lief der in meiner Region… Also einen aws-chopper habe ich in wolhusen schon gesehen…
Ja dann viel spass mit dem Unikat, eventuell sieht man es ja mal live irgendwo an einer veranstaltung.
Hallo Oliver
Danke für Deinen Kommentar. Ja nächstes Jahr werde ich damit an Treffen teilnehmen. OSMT usw. Also man sieht sich bestimmt
Herzliche Grüsse
Fredi Vollenweider
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